Roma e Toska

Herbstzeit-Träume

Es wird ruhiger auf der Insel, die Schatten werden länger, die Strände ein wenig einsamer. Der frühe Herbst ist für mich die Zeit des Träumens, ein wenig hängt noch der schäumende Sommer in den Erinnerungen mit all den Events, den Begegnungen, dem lachenden »Cheers« mit einem Glas in der Hand. Vorbei! Wie die Nebel über der Heide und der Dunst über dem Meer, spinnen sich meine Gedanken fort in märchenhafte Weiten. Am Schreibtisch mit meinen Büchern um mich herum in dem alten Kapitänshaus bin ich über einen Spruch gestolpert: »Wenn Utopia ein Ort ist, der nicht existiert, dann muss dorthin ein Weg führen, der kein Weg ist.« 

Der Satz stammt aus einem Essay von Ursula K. Le Guin, der amerikanischen Schriftstellerin, die so poetisch und analytisch über unsere Gesellschaft schreibt. Ich finde ihn romantisch, weil er mich aus der Realität führt, genauso wie meine Wanderungen morgens früh am Roten Kliff. »Ein Weg, der kein Weg ist.« Es klingt wie ein Rätsel, das wir mit der Kinder-Seele gewiss am leichtesten lösen könnten. Wir müssen dafür nur die Fakten, Daten und Infos des Alltags beiseiteschieben, die uns allzu oft die Sinne verstopfen. Hören wir kurz mal auf, uns von Wegen und Abzweigungen drängen uns lassen, von Entscheidungen für rechts oder links oder geradeaus. Wenn wir einfach einmal nichts wollen, was dann? Vielleicht wären wir auf der Reise zu einem Ort, den es nicht gibt, tief in uns drinnen. Herbstlich bunt und dunstig grau führt sie uns in ein Nichts, mystisch, genauso wie diese Insel sein kann im frühen Herbst. 

Es gibt ein Roma e Toska Tuch aus Seidenchiffon mit den Muscheln aus dem grafischen Werk von Alexander von Humboldt. Ich habe es von der Künstlerin und Kalligrafin Jeannine Platz beschreiben lassen: »Whoever sails on the open sea, follows the stars« (Wer auf das weite Meer hinaus segelt, der folgt den Sternen). Auch so ein Zitat, das in eine andere Dimension reicht, dorthin, wo sich die vorgezeichneten Wege auflösen. 

Und dann gibt es noch den Brombeerschal aus Seidentwill, soeben eingetroffen, der von meiner Sammelleidenschaft erzählt in einem Schlaraffenland aus bunten Beeren, orangeroten Hagebutten und sich dunkelleuchtend verfärbenden Blättern. Das ist mein Sylt im Herbst, ein Ort, den es gibt, wenn man mit dem Herzen schaut. 

Birgit Gräfin Tyszkiewicz