Roma e Toska

Im Gespräch mit meinem rechten Ohr

Seit wenigen Tagen habe ich die Diagnose, mit der ich mich in die Gruppe von über 200.000 Menschen jährlich einreihe: Hörsturz. Ich? Kann nicht sein, habe mein Leben lang alles gleichzeitig gemacht, es gehört zu meinem Wesen. Gerne und am liebsten noch eine Schippe drauf, zwei Geschäfte, Kollektionen, wöchentliche Veranstaltungen, Ausstellung, Bücher, tägliche Blogbeiträge. Klingt das nach viel? Für mich nicht. Nun sagt der liebenswerte Doc in Westerland: abstressen. Mein rechtes Ohr kann nicht mehr das Zwitschern der Vögel im Garten hören. Das ist schlecht. Ich habe »dichtgemacht« und das andere Ohr übernimmt es »mit links«. Wie wir doch somatisieren, unsere Seele »soma« drückt sich mit dem Körper aus. Es geht um die fehlende Leichtigkeit, eben »mit links«, und gegenüber darf eine Pause machen bzw. erzählt mir von inneren Dingen. Diese Sprache muss ich wieder lernen. Stattdessen ertappe ich mich, wie ich morgens oben entlang der Uwe Düne gehe, ein kurzer flüchtiger Blick über das Meer und dann zurück aufs Handy, schnell noch eine Textnachricht, bevor ich im Funkloch bin. Nein Öhrlein, damit hören wir mal auf, versprochen.

Soll ich nach Hamburg für das nächste Event? Diesmal nicht, es ist so schön hier, der tiefblaue Himmel mit dem kühlen Wind. Ich »höre« förmlich, wie meine Sommersprossen im Gesicht sprießen. »Gut siehst Du aus«, sagt ein Freund, der dachte, er würde das pure Elend vorfinden. Ich lächele zurück, eine kleine Zäsur, die mich ins Zwiegespräch mit meinem Ohr bringt, dem rechten wohlgemerkt, der »Geschäftsseite« wie mir eine Gesichtsleserin einmal erklärte. Die Linke wäre die »Private«. Vielleicht doch mehr mit dem Herzen zuhören?
Ein Geschäft ist nicht nur ein Geschäft, sondern auch eine Begegnungsstätte. »A strong brand doesn’t sell, it invites people to be part of the vision« schrieb eine Freundin auf ihrer Instagram-Seite. Mein Ohr bejaht. Meine Neugierde für die Menschen ist immer auch eine persönliche gewesen. Und so steht die Tür von »Roma e Toska« weit auf, für all jene, die meine Haltung zu Mode und dem Schönen teilen. Ich habe aufgeräumt und neu dekoriert, jedes Stück in die Hand genommen, um ihm eine inspirierende Nachbarschaft zu geben. Es gefällt mir. Und wenn ich rede, dann muss ich den Kopf ein wenig drehen, um die Leute anzuschauen. Mein rechtes Ohr ermuntert mich leise, auf die Antworten zu hören.

Birgit Gräfin Tyszkiewicz