»Unser aller Geld«

Sylter Arbeitsplätze, Lebensperspektiven
und Lebenswerke mit Konzept
»Sylt-Charta« bewahren

Kein Thema erhitzt die Sylter Gemüter derzeit mehr wie das der illegalen Ferienwohnungen. Angst, Sorge und Verunsicherung machen sich bei den Vermietern, Unternehmern, Familien und Arbeitnehmern breit. Denn die seit drei Jahren vorherrschende Baurechtskrise auf Sylt und die Kontrollen der Husumer Baubehörde betreffen die Grundpfeiler der insularen Wirtschaft. Ohne den Tourismus und die Gäste gibt es keine Kaufkraft – ergo Geschäfte müssen schließen, Arbeitsplätze von Syltern und Pendlern fallen weg, Existenzen werden bedroht. Nun wurde das innovative Konzept »Sylt-Charta« entwickelt, das darauf abzielt, den Konflikt zwischen der Schaffung von Dauerwohnraum und dem Erhalt der wirtschaftlichen Grundlage zu lösen.      

Interview mit Unternehmer Ole König
Die Thematik um die hohe Anzahl illegaler Ferienwohnungen sorgt derzeit für besonders heiße Diskussionen. Doch es geht um so viel mehr, es geht um die Existenzen der auf der Insel lebenden Bürger und der Pendler. Bei Vermietern, Unternehmern, Familien und Arbeitnehmern herrscht Angst, Sorge und Unsicherheit. Die anhaltende Baurechtskrise, die seit drei Jahren die Insel plagt, sowie die verstärkten Kontrollen durch die Baubehörde aus Husum stellen eine Bedrohung für die wirtschaftlichen Grundstrukturen der Insel dar. Was passiert, wenn die Gäste und die starke Kaufkraft wegfallen? Der bereits vorhandene Leerstand an Geschäften vergrößert sich und Pendler sowie Sylter verlieren ihre Arbeitsplätze, die Lebensperspektive wird bedroht. Deshalb betrifft die Krise alle und Lösungsansätze sollten schnellstmöglich gefunden werden. Ole König und Sylter Unternehmer haben jetzt das Konzept »Sylt-Charta« ausgearbeitet, um den Lebensraum Sylt zu erhalten. Laut Initiatoren sollen Dauerwohnraumförderung und die wirtschaftliche Grundlage der Insel dadurch gesichert werden. »Die Idee ist Beschlusslage im Vorstand des Sylter Unternehmer Vereins, der auch das Rechtsgutachten dafür bezahlt hat. Natürlich wird sie auch von verschiedenen anderen Interessengruppen unterstützt«, so König.

Welche konkreten Zahlen gibt es bislang auf Sylt?
Die Insel Sylt, die Wirtschaft der Insel Sylt, die Gemeinde-Finanzen der Insel Sylt, zumindest 2/3 Drittel sind von der einzigen Industrie, die wir hier haben, abhängig – und das ist der Tourismus.  Die Toursimusindustrie wird zu 75 Prozent aus Ferienbetten befeuert, das heißt 75 Prozent der Betten auf Sylt liegen in Ferienwohnungen. Und von diesen 75 Prozent der Hauptindustrie sind 85 Prozent der Wohnungen und wahrscheinlich 90 Prozent der Betten illegal in Wenningstedt und in Morsum tendiert die Zahl zu 100 Prozent. Im B-Plan 28 im Norden von Westerland wurde eine Erhebung durchgeführt und festgestellt, dort sind 88 Prozent der Ferienwohnungen illegal. Heruntergebrochen: Wir müssen davon ausgehen, dass von den 75 Prozent der Ferienwohnungsbetten, die die Grundpfeiler unserer Wirtschaft darstellen, 80 bis 90 Prozent illegal sind.

© Axel Steinbach Fotografie     Unternehmer Ole König  

Welche Vorhaben und Gesetze zur Legalisierung oder Kontrolle der großen Anzahl dieser Ferienwohnungen gibt es?
Gesetze durchzusetzen macht Sinn, wenn man weniger Missetäter als korrekte Bürger hat. Hier ist es so, dass 90 Prozent der Bürger im Unrecht sind. Und um Arbeitsplätze, die Lebensperspektive und Lebenswerke der Sylter zu erhalten, sollte man zurecht die Frage stellen, ob wir mit der Durchsetzung der Gesetze wirklich der Gemeinschaft einen echten Gefallen tun? Führende Politiker selbst kommen zu der Erkenntnis: Wir werden diese Missstände, die über sieben Jahrzehnte gewachsen sind, nicht über die Bebauungspläne retten. Denn die Anpassung und Vorkehrungen dazu sind so komplex, dass es wieder Jahrzehnte dauern würde, das vernünftig umzusetzen.
Also, was bleibt übrig? Der Kreis kontrolliert auf zehn Jahre alle Betten weg. Mit der Konsequenz: Insel pleite, Insulaner weg und kein Dauerwohnraumproblem mehr. Andere Bedrohungskulisse ist die neue EU-Verordnung, die im Mai 2026 spätestens in Deutsches Recht umgesetzt sein soll. Diese wurde nur ins Leben gerufen, um illegale Ferienvermietung in Großstädten zu unterbinden, zu detektieren und zu verfolgen. Dementsprechend müssen wir davon ausgehen, dass diese EU-Verordnung auch in Deutschland so umgesetzt wird: Ohne einen Nachweis der Legalität darf man nicht weitervermieten.
Daraus ergibt sich: Entweder ist die Insel in zehn Jahren, wenn der Kreis komplett durchkontrolliert hat, oder schon im Mai 2026 pleite, wenn die Wohnungen nicht mehr beworben werden dürfen.

Hier kommt das Konzept »Sylt-Charta« ins Spiel, das mit Unternehmern, Stadtplanern, Architekten und Anwälten erarbeitet wurde. Was verbirgt sich hinter der Idee?
Vor dem Hintergrund, Arbeitsplätze, Gemeindehaushalte und den gesamten Lebensraum Sylt zu erhalten, wollen wir im Rahmen einer »Sylt-Charta« ein Bekenntnis zur Obergrenze und zur Legalisierung an Zweit- und Ferienwohnungen setzen. Bedeutet: Nicht mehr Ferienwohnungen und Betten, als bereits vorhanden sind, sondern diese erhalten, die schon jetzt unser aller Leben bezahlen.
Zu diesen Zweck gründen wir einen zweckgebundenen Syltfonds, der der Gemeinde gehört, und durch zwei Sonderabgaben gefüttert wird. Zum einen handelt es sich um eine Legalisierungsgebühr: Jeder, der steuerehrlich vermietet hat, kann mit dem Nachweis seiner Tourismusabgaben eine Genehmigung bekommen. Zum anderen möchten wir eine zusätzliche Dauerwohnraumabgabe auf Ferienwohnungen und Hotelbetten von einem Euro pro Monat und Quadratmeter, die dann regelmäßig in den Syltfonds eingezahlt wird.
So könnten mit der Idee »Sylt-Charta« mehrere hundert Millionen für Dauerwohnraumförderung und die Erhaltung der wirtschaftlichen Grundlage der Insel eingesammelt werden. Mit dieser Summe wollen wir das schaffen, was der Privatmann nicht mehr schaffen kann: attraktiver Dauerwohnraum ohne Subventionen. Dementsprechend wird die KLM beim Bau neuer Wohnungen unterstützt sowie Erbbaugebiete ausgewiesen und Grundstücke zurückgekauft.

Wie geht es weiter? Was ist der nächste Schritt?
Im nächsten Schritt gehen wir in den Diskurs und Dialog, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Bereits jetzt gibt es ein breites Interesse an dieser Idee in der Öffentlichkeit. Auch möchten wir Problembewusstsein erzeugen, damit die Bürger einfach begreifen, dass wir Lösungen brauchen, die »out of the box« sind. Wir wollen auf Sylt ein Bekenntnis zur Lebensgrundlage und zum Tourismus setzen. Darüber hinaus die Gemeinden davon überzeugen, gemeinsam nach Kiel zu gehen, um mit dem Syltfonds unsere Bereitschaft zu zeigen, Abgaben aus dem Tourismus abzuzwacken – aber wir brauchen vom Land zusätzlich ein Gesetz. Am wichtigsten: Wir wollen den Leuten die Angst und Verunsicherung nehmen.