Es ist Weihnachten, »alle Jahre wieder«, wie es in dem Lied heißt, ein wenig überraschend, mindestens zwei Wochen zu früh, als hätte jemand heimlich am Kalender gedreht. Geschenke fehlen, gehen die Kinder gar leer aus? »Ach, einfach weihnachtlich mit Euch, ist mir Geschenk genug«, schreibt meine Tochter Roma aus der Réunion, viele tausend Kilometer entfernt. Sie wird kommen! Genauso Toska, diesmal aus Berlin und nicht aus Paris. Verstreut ist unsere Familie und wie viele müssen sie sich auf den beschwerlichen Weg machen, um gemeinsam Weihnachten zu feiern. Hört sich beinahe biblisch an. Kurz vor Husum kommt die Ansage der Bahn: »Wegen Bauarbeiten bitte alle aussteigen, die Fahrt endet hier!« Panik, dann die beruhigende Stimme aus dem Lautsprecher: Fehlanzeige, es geht weiter. Coming home. Und »home« ist die Insel.
Wie viele Menschen habe ich in den letzten Tagen in den Arm genommen und geherzt, getröstet, mit ein wenig Zuversicht vorsorgt. Es geht nicht um Kaufen und Verkaufen. Gut wenn es passiert, denn davon leben wir, aber es ist zu einer Nebensache geworden. Die Leute sehnen sich nach etwas anderem, nach Nähe, nach Wertschätzung. Einfach mal loslassen, durchatmen, unbeschwert lachen!
Wir, die Psychotherapeutin Christine Klaubert und ich, haben ein Buch geschrieben, wo diese Sehnsüchte verpackt sind. Noch einmal Kind sein, die Kräfte spüren, die wir einst hatten, die Verbundenheit mit den Tieren und Pflanzen, Bäumen und Meerjungfrauen. Alles war eine große beseelte Welt und wir ganz klein dazwischen. Gemeinsam haben wir uns die Frage gestellt, wie wir zu der Person wurden, wie wir sind. An den Sonntagen lasen wir uns unsere Kapitel vor, die wir die Tage zuvor geschrieben hatten: »Großvaters Schattenwelten«, »Abends, wenn ich schlafen geh«, der Tuschkasten, die Kratzbilder, aber auch über die schwierigen weiblichen Ahnen und Rumpelstilzchen. Manches war düster, manches fröhlich hell, alles ein Schatz, den es zu heben galt. Neun Monate hat es gedauert, wie eine Schwangerschaft, darüber sind wir zu Freundinnen geworden, haben gelernt, den Dingen liebevoll und versöhnlich auf den Grund zu gehen. Das Schreiben und das Zuhören haben uns verändert, in dem es uns den Blick wieder geöffnet hat, wie schön und reich das Leben ist, und dass man die Sterne nur im Dunkeln sehen kann. Ein Geschenk, zu dem auch der Verleger Dr. Josef Kleinheinrich gehört, der aus dem Manuskript ein wunderschönes Buch gemacht, versehen mit der Banderole »„geschrieben auf Sylt«. Man findet sich auf der Welt, auch das gehört zu meiner Weihnachtsgeschichte. Birgit Gräfin Tyszkiewicz