Kolumne »POST VON PIDDER«

»Zeit durchzuatmen«

Die letzte November- und die erste Dezemberwoche stehen auf Sylt klassischerweise für eine ruhige Zeit. Es sind nur wenige Gäste auf der Insel und der Vorweihnachtsstress lässt noch auf sich warten. Die ersten Tannenbäume ziehen in die Gärten ein, Lichterketten werden wie in jedem Jahr gesucht und nicht gefunden: »Dammig, die waren doch hier im Schuppen!«. Widerwillig werden neue gekauft im Dänischen Bettenlager und im Baumarkt (Diesmal die mitwachsenden! Dann können sie einfach an der Mehlbeere bleiben in diesem Jahr!). So langsam stellt sich der Stoffwechsel auf Ente, Rotkohl und Klöße ein. Die Erinnerung an die letzten Sonnenstrahlen verblasst allmählich und abends auf der Couch wird hin und wieder nach »Urlaub in der Sonne« gegoogelt.

Die Sylter Jäger ziehen jeden Sonnabend weithin sichtbar mit orangefarbenen Schals durch die Felder und stellen den Hasen und Fasanen nach. Einige Geschäfte und Restaurants sind im Urlaub und versprechen »ab 2. Weihnachtstag wieder da zu sein«.

Die Pünktlichkeit der Züge korreliert leider nicht so sehr mit der geringeren Anzahl an Ankünften. Zu groß ist die Dysfunktionalität der gesamten Struktur »Deutsche Bahn« (oder dem übriggebliebenen ausgefransten Schatten). Die Bahn würde vermutlich noch nichtmal pünktlich kommen, wenn der einzige Insasse an Bord der Lokführer selbst wäre. Allein der Anblick von Frost auf der Wetterkarte in Kalifornien lässt die Stellwerke und Signalanlagen in Germanien innehalten. Auch irgendwie weihnachtlich oder?

In etwas traditionsbewussteren Häusern sieht man statt der geschlagenen Fichte oder Tanne einen friesischen Jöölboom, ebenso ein untrügliches Anzeichen, dass die Sylter Weihnacht naht.

Auch die Natur trägt ihren Teil zur vorweihnachtlichen Stimmung bei. Sie sucht zuverlässig wie jedes Jahr zu dieser Zeit die Nähe, indem sie mit ihrer nasskalten Kälte unter die Jacke kriecht und zuweilen den Regen gefühlt von unten kommen lässt.

Genau das sind die Momente, in denen wir uns einen Tee mit Kandis oder noch deutlich effektiver einen Schuss mit Glühwein auf unseren kleinen, heimeligen Weihnachtsmärkten gönnen und einfach mal durchatmen können.

Rückwärts nimmer, vorwärts immer!

Sylt oder Sansibar – Hauptsache Urlaub!

Die Redaktion weist darauf hin, dass es eine Leser-Kolumne ist und der Inhalt die Ansicht des Einsenders wiedergibt.