Es fällt schwer, in diesen Tagen und Wochen über Mode zu schreiben. Der Zustand der Welt ist kein guter, und jeden Morgen prasseln die Online-News auf uns ein. Es hilft, runter zum Meer zu gehen, einmal tief durchzuatmen. Ich springe immer noch ins Wasser und spüle den ganzen Ballast ab. Ein herrliches Gefühl. Und dann stapfe ich wieder aus dem Schaumbad an den Strand und balle manchmal die Hände zu Fäusten: Nun erst recht! Ich lasse mir das Schöne des Lebens nicht nehmen. Ich setze dem Ganzen etwas entgegen, das mit Nachhaltigkeit zu tun hat, mit Handwerk und Kreativität. Mode ist etwas Unerlässliches, ein Kulturgut, dem wir mehr Sorgfalt entgegenbringen sollten. Sie schmeichelt uns, wärmt uns, gibt uns unser Selbstbewusstsein und ein Selbstverständnis. Sie ist eine schöne Nebensache und sie hat es verdient, dass wir auch weiter über sie reden, sie nicht im Schrank verbannen. Ich ziehe mich gerne hübsch an, egal wo ich bin.
Warum ich Mode mache, hat auch etwas mit unserer Zeit zu tun. Meine Gedanken darüber verpacke ich in Stoffe, sie sind meine Art zu erzählen, wenn ich dafür keine Worte benutzen möchte. Aus der aktuellen Kollektion Childhood ist ein Buch geworden, das hoffentlich noch vor Weihnachten erscheinen wird. Über Wochen und Monate haben die Freundin und ich aus unseren Nachbardörfern Kampen und Braderup heraus geschrieben. Wir schlüpften in unsere Kindheit und sammelten die guten wie die weniger guten Aspekte. Es hat uns versöhnt und ganz neue Kräfte verliehen. Erinnerungen an Pippi Langstrumpf wurden wach, die das Pferd in die Luft stemmt, oder an die Monster in unseren Träumen, die wir am Ende doch besiegten. Es ist wichtig, sich manchmal ein wenig zurückzubesinnen. Wie war ich als Kind? Und kann ich heute noch fühlen, wie ich mit fünf Jahren war? Dann gehe ich in die Sylter Natur, lass mir den Wind um die Ohren pusten und denke: Wie gut, dass wir in Frieden großwerden durften. Ein Geschenk, das nicht selbstverständlich ist, wie wir gerade sehen.
Mein Skizzenbuch hat sich gefüllt mit Stoffen, Farbschnipseln und Notizen. Es ist zu einem Tagebuch geworden über das Entstehen einer Kollektion und über die Reise zurück zu meinen Wurzeln. Eine Kundin schrieb mir kürzlich über die Bluse: »Ich gehe mit meiner Kindheit spazieren.« – Schön, wenn Mode so etwas sein kann.
Birgit Gräfin Tyszkiewicz