Roma e Toska

Was ist Luxus?

Der Sylt Sommer hat begonnen. In der Presse kann man es lesen: Die Insel der Reichen und Schönen, Champagner-Partys, dicke Autos, prächtige Häuser unter Reet. Man spürt in den Kommentaren eine Spur von Missgunst und gleichzeitig die Sehnsucht, dazuzugehören. Ein Grund mehr, über Luxus nachzudenken. Wir befinden uns in Zeiten großen Wandels. Was gestern noch richtig, scheint heute falsch. Wir sind die, die für den Klimawandel verantwortlich sind. Eine Ich-Gesellschaft. In Europa herrscht Krieg. Die Wahlen in den USA hängen wie ein Damoklesschwert über uns. Frankreich hat zum Glück eilig ein Bollwerk gegen rechts aufgestellt, dass an die »Freiheit auf den Barrikaden« von Delacroix erinnert. Es vorwärts und rückwärts, das einem schwindelig wird. Und dann gibt es eben diesen (Insel)Luxus, der auf den Prüfstand kommt. Was macht uns wirklich glücklich? Ich telefoniere mit meiner Tochter Roma (29), die Philosophie studierte und nun als Köchin auf der Réunion lebt. Sie ist meine Wikipedia und meine intellektuelle Sparringspartnerin. Sie antwortet mit Epikur, dem griechischen Philosophen der Antike: »Meide das Leid und suche die Freude.« Wohl wahr, aber er fügte noch einen wichtigen Satz hinzu: »Nicht jeder Schmerz ist ein schlechter, und nicht jede Freude ist eine gute.« Wir müssen also prüfen, was uns im Inneren weiterbringt, festigt, beflügelt und erfüllt. 

Wenn ich morgens am Strand spazieren gehe, oft im Gespräch mit einer Freundin, die Hunde links und rechts von mir, der salzige Wind in den Haaren, dann ist das Luxus, tief gefühlt und ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Gestern erklärte mir Sternekoch Johannes King während unseres ersten Talks über die Kultur des Essens, wie man Austern isst. Man braucht eine besondere Situation, und während man sie schlürft und kauft und schluckt, lächelt man nach innen. Man kann es üben, diese Momente zu schaffen, die Sinne wieder wachzurufen, das Lächeln in sich hinein. Es soll glücklich machen, und das ist wahrer Luxus. 

Luxus kann ein altes Auto sein, blank poliert. Eine Wohnung, die ein Zuhause verströmt. Ein Blumenstrauß, gepflückt beim Spaziergang durch die Braderuper Heide. Meine Mode empfinde ich als Luxus, die erzählt, mehr ist als nur Ware. Ich liebe es, wenn die Seide über meine Haut streichelt oder das Chiffon-Tuch um meinen Hals im Wind flattert. Die Hermès Tasche von 1953, die soeben die Freundin bei uns kaufte. Das Armband von Yves Saint Laurent, das mit den Meeresalgen zu verschmelzen scheint. All das zu genießen macht Luxus aus. Man entdecke ihn täglich auf dieser Insel Sylt, die ich wild verteidige gegen den schnöden Vorwurf von Reich-und-Schön.

Birgit Gräfin Tyszkiewicz