Roma e Toska

Die kleine Fabel

Viele denken, dass ich eine Menge weiß, und vielleicht tue ich das auch, aber nur, weil ich mich mit Menschen umgebe, die noch mehr wissen als ich und mir ständig zuflüstern, wovon ich zuvor noch nichts gehört habe. So war es vor vielen Monaten die Freundin, die mir von der kleinen Fabel von Franz Kafka erzählte. Aus aktuellem Anlass, denn wir feierten gerade den 100. Todestag dieses berühmten Schriftstellers, krame ich sie aus meiner Erinnerung hervor, wo sie mich begleitet, mit ihrer verzwickten Moral. Den kurzen Text schrieb Kafka 1920, aber er wurde erst postum von seinem Freund Max Brod 1931 veröffentlicht.

Das Wort »Fabel« oder auch »Parabel« kommt aus dem altgriechischen und ist eine Art Gleichnis für menschliche und ethische Fragen, die durch den bildhaften Vergleich leichter zu begreifen sind, als wenn wir uns in der realen Welt damit auseinandersetzen. Bei Kafka ist es eine Maus und eine Katze, aber gemeint sind Sie, Du und ich, wir alle, die wir versuchen, das Leben zu meistern. Die Freundin und ich gingen am Meer spazieren und sprachen über die Menschen. Während wir uns gegen den eisigen Wind stemmten, beobachtete ich die beiden Hunde, wie sie frei und unbeschwert am Stand entlang trollten. Ich fragte mich, ob sich Menschen wandeln können, ob sie innehalten oder gar die Kraft besitzen, umzukehren, wenn sie einmal in die Sackgasse geraten sind. Dazu nun Kafka und die kleine Fabel: »Ach«, sagte die Maus, »die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.« – »Du musst nur die Laufrichtung ändern«, sagte die Katze und fraß sie. Wie es ausschaut, ein hoffnungsloser Fall: Vor der Maus im letzten Raum die Falle, hinter ihr das Maul der Katze. Die Zeilen kann ich auswendig, sparsam und klar die Sprache. Wo steckt die Lösung? Ich habe sie gefunden, aber werde sie nicht verraten, jedenfalls nicht hier. Kommt doch vorbei zu Roma e Toska im Kapitänshaus, und ich werde Euch ein wenig auf die Spuren führen, (ver-)locken mit schönen Dingen, die den Blick wieder weit machen auf die Vielfalt von Kunst, Mode und Kultur. Es geht um das Leben in seiner Fülle, soviel sei verraten. Birgit Gräfin Tyszkiewicz