Schönheit als Therapie
Ab-und-an zappe ich mich durch die Modenschauen der Haute-Couture und Prêtà- Porter. Schließlich muss man wissen, was die anderen so tun, während ich in meiner eigenen Trend-Sauce rühre. Bei aller Unterschiedlichkeit zwischen Dior, Chanel, Prada und der langen Liste des internationalen Mode-Business, gibt es verblüffende Übereinkünfte. Da wäre als Erstes die Rückbesinnung auf das Handwerk, auf die exklusiven Materialien und die raffinierten Modelle. Der Kreativdirektor von Balençiaga lässt beispielsweise die Schauspielerin Isabelle Huppert zu seiner Modenschau und Musik aus der Fertigungsanleitung für einen Blazer lesen. Chanel feiert den »Button«/Knopf als Symbol seiner Marke. Bewusstes »Slow Fashion« Marketing in einer Welt von »Fast Fashion «. Miuccia Prada will am liebsten gar nichts mehr sagen: »Wir haben beschlossen, einfach mal keinen Pressetext zu verfassen, denn ich habe es satt, über Ideen und nicht über die Kleidung zu sprechen.«
Als Zweites fällt auf, wie persönlich die Kollektionen geworden sind. Es ist nicht nur die Handschrift eines Labels zu sehen, sondern dahinter auch die sehr private Aussage des Designers. Beide Tendenzen passen in unsere Zeit. Ich lese ein wenig in den Kommentaren der berühmten Trendforscherin Li Edelkoort. Für das Frühjahr/Sommer 2024 spricht sie von dem großen Umbruch (»The Great Disruption «), der Notwendigkeit des Wandels, der Suche nach Individualität, nach der Besinnung auf Fertigkeiten und Improvisation, dem neuen liebevollen Blick auf Menschen, Tiere sowie unsere gesamte belebte und unbelebte Welt.
In all dem finde ich mich kreativ wieder. Auch meine Kollektion ist eine sehr persönliche. »Childhood« habe ich sie genannt, »Kindheit« mit den dazugehörigen Träumen, den Monstern, die wir besiegt haben, den dunklen und den hellen Seiten. Bewusst wollte ich ein Zeichen setzen mit der Kooperation der Exilrussin Iya Voinich und ihren Illustrationen, die zu meinen Stoffen wurden. Aufregend ist es, wenn solche Ideen und Bilder zu Mode werden, die kommuniziert (auch so ein Trend) und Geschichten erzählt.
Und noch eine Stimmung habe ich aufgegriffen: »Home is where my heart is.« Hierzu gehört die Edition der Delfter Kacheln und der Sylter Brombeeren. Es sind Motive aus meinem Zuhause, dem Kapitänshaus von 1689, sowie den Brombeer- Sträuchern in der Braderuper Heide. Mode sagt viel über uns aus und über unsere Zeit, das macht sie zu einem Kulturgut. »Wir sammeln Schönheit als eine Form von Therapie. « (Li Edelkoort)
Birgit Gräfin Tyszkiewicz