Gedenktafeln für die Opfer
des Nationalsozialismus

Vier neue Stolpersteine für Sylt

Es gibt mehr als 75.000 von ihnen, 24 liegen insgesamt auf Sylt: »Stolpersteine« – ein Kunstprojekt des Künstlers Gunter Demnig, der mit seiner Aktion erstmals 2003 in Schleswig-Holstein an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus aufmerksam machte. Die von ihm verlegten Steine, auf denen die Namen, die Lebensdaten und das Sterbedatum dieser Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft zu lesen sind, finden sich auf den Gehwegen vor dem letzten bekannten und frei gewählten Wohnort der betreffenden Person.

In Gedenken und zur Erinnerung an den Westerländer Bürgermeister Dr. Martin Frommhold, seinen Sohn Wolfgang Frommhold, Hans Leopold Hansen und Georg Alfred Zeffner verlegte Demnig kürzlich vier neue Stolpersteine an den ehemaligen Wohnhäusern in Westerland und Keitum.

Dr. Martin Frommhold 

Bürgermeister-Kapp-Weg 2, Westerland

Dr. Martin Frommhold studierte Jura in München sowie Leipzig und promovierte 1903. Fünf Jahre später zog er mit seiner Frau Louise Margarethe Birkner nach Westerland, wo er im gleichen Jahr zum Bürgermeister gewählt wurde und bis 1915 das Amt besetzte. Während seiner Amtszeit trug er viel zum infrastrukturellen Ausbau der Stadt Westerland bei: Erweiterungen des Kurhaussaales und des Elektrizitätswerks, Errichtung der Mittelschule und Erneuerung der zerstörten Strandanlagen. 

Von 1915 bis 1925 war er Bürgermeister von Stade. Danach orientierte er sich beruflich um und ging mit seiner Familie nach Hannover. Dort übernahm Frommhold den Vorstandsvorsitz der Landesversicherungsanstalt Hannover. Als Mitglied der 1918 gegründeten Deutschen Demokratischen Partei (DDP, ab 1930 Deutsche Staatspartei (DStP)) und in seiner Stellung als Fraktionsvorsitzender positionierte er sich offen als Gegner der Nationalsozialisten. Infolgedessen begann eine Rufmordkampagne und ihm wurden Verfehlungen im Amt sowie Missbrauch öffentlicher Gelder vorgeworfen. Gedroht wurde Frommhold mit Amtsenthebung, die den wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Ruin der Familie bedeutet hätte. Er erschoss sich am 10. April 1933 in seinem Dienstzimmer.

Wolfgang Frommhold

Bürgermeister-Kapp-Weg 2, Westerland

Er wurde 1909 als ältester Sohn von Louise Margarethe und Dr. Martin Frommhold (ehemaliger Bürgermeister von Westerland) auf Sylt geboren. Er war taub und litt unter epileptischen Anfällen, weshalb er 1923 in das »Asyl für Epileptische und Idioten« (später »Rotenburger Anstalten«, heute Rotenburger Werke der Inneren Mission GmbH) kam.  

Wolfgang Frommhold entging zwischen 1940 und 1941 der Deportation und den Massenermordungen von kranken und behinderten Patienten aus psychiatrischen Anstalten und Heilanstalten, wurde aber dennoch Opfer der NS-Euthanasie-Verbrechen. Ende 1941 funktionierte man die Anstalt in Rotenburg in ein Reservelazarett der Wehrmacht um und verlegte Frommhold in die Anstalt Sorau (Lausitz), wo er 1942 zu Tode kam.

Hans Leopold Hansen

Steinmannstraße 15, Westerland

Als Sohn des Westerländer Bauunternehmer Max Hansen wurde Hans Leopold Hansen am 6. Januar 1898 in Westerland geboren. Zusammen mit seinen Eltern und den Geschwistern wohnte er in der Villa Marie in der Steinmannstraße 15, dort wo auch sein Stolperstein zu finden ist. 

Er war zweimal verheiratet, arbeitete als Zimmermann, Seemann, Hoteldiener und diente von 1914 bis 1920 im Krieg. Nach seiner Militärzeit befand er sich wegen Diebstahls in Untersuchungshaft und wurde zur Beobachtung in die Provinzial-Heilanstalt Schleswig eingewiesen. Schon in seiner Jugend beging er mehrere Gelegenheits-Diebstähle sowie Einbrüche und wurde für einige Monate verurteilt. Nach engen Kontakt mit einer Polin wurde Hansen inhaftiert und kam am 2. November 1944 in das Konzentrationslager Stutthof. Von dort aus ging es wenige Wochen später mit einem Transport nach Buchenwald, wo er als als politischer Häftling registriert und am 6. Dezember 1944 ermordet wurde. 

Georg Alfred Zeffner

Am Tipkenhoog 2, Keitum

Georg Alfred Zeffner kam, als drittes von fünf Kindern des Bäckers Ernst Bernhard Zeffner und dessen Frau Carolina Borgina, 1895 in Keitum auf die Welt. Nach seiner Schulzeit fuhr er zur See, war als Telegrafenarbeiter tätig und diente der Marine. 1921 heiratete er Minna Auguste Luise Schwart, mit der er eine Tochter hatte, die im Alter von 23 Jahren verstarb. 

1938 wurde er in das Landeskrankenhaus Merzig, ein psychiatrisches Krankenhaus im Saarland, aufgenommen. Nach Kriegsbeginn verlegte man ihn nach Scheuern und Haina. Beide Einrichtungen waren Teil der im Oktober 1939 angelaufenen sogenannten »Aktion T4«. Dort wurden aufgrund ärztlicher Gutachten systematisch Patienten ausgewählt, die im Wege der NS-Euthanasie getötet werden sollten. Bei seiner Verlegung von Haina in die Landesheilanstalt Neustadt in Holstein galt er noch als arbeitsfähig, 1940 schon nicht mehr. Da keine Besserung seines Zustandes eintrat, kam er im Juni 1941 in die Landesheilanstalt Königslutter.

Laut der Gedenkstätte für Opfer der NS-»Euthanasie« Bernburg der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt wurde Georg Alfred Zeffner am 9. Juli 1941 nach Bernburg deportiert und am gleichen Tag ermordet. 

Ein Stein. Ein Name. Ein Mensch: Auf Sylt wurden insgesamt 24 Stolpersteine verlegt, dabei für zwei der Opfer jeweils zwei Steine. Sie bringen die Namen und Lebensgeschichten der Menschen zurück und helfen so vor allem den Angehörigen ihrer Verwandten zu gedenken. Sie unterstützen sie die lokale Geschichte aufzuarbeiten und das Gedenken zu verankern. Sie fördern einen öffentlichen Diskurs und integrieren oft die nachwachsende Generation in die Recherche und die Aufarbeitung.

Westerland
Käthe Siegert, Strandstraße 22
Franz Korwan, Strandstraße 12
Johanna Herold, Paulstraße 15
Kurt Brüggen, Kjeirstraße 12
Karl Quaas, Kjeirstraße 14
Hermann Meinert Hansen, Kirchenweg 8
Karl Jessen, Johann-Möller-Straße 20
Max Feddersen, Am Seedeich 1
Heinrich Friedrich August Bohnhoff, Wenningstedter Weg 64
Nikolaus Ehlers, Andreas-Nielsen-Straße 1

Keitum

Jens Emil Mungard, Weidemannweg 1
Franz Korwan, Alter Kirchenweg 13
Elsa Sänger, Alter Kirchenweg 13
Ludwig Borstelmann, Bahnhofstraße 15 und Alter Kirchenweg 32
Wilhelm Ernst Witteborg, Munkmarscher Chaussee 7

Tinnum
Walter Henningsen, Südhörn 21

Archsum
Erhard Jörgensen, Uaster Reeg 19

Munkmarsch
Bothilde Callesen, Munkhoog 9

Kampen
Anita Rée, Wattweg 10

List
Diedrich Cornelius Diedrichsen, Alte Dorfstraße 25

Weitere Informationen sind auf der Homerpage der Gemeinde Sylt oder online unter www.stolpersteine.eu zu finden. (Quelle: www.gemeinde-sylt. de/stolpersteine)