Carmen, meine Store-Manager in der Poolstrasse 30 in Hamburg, ganz in der Nähe der Laeiszhalle, sagt immer zu mir, ich solle etwas Schönes schreiben. Die Leute wollen so etwas lesen, gerade in diesen Zeiten. Sie hat Recht, und so beginne ich diese kleine Kolumne mit meinen besonderen Orten, die so viel Geschichte besitzen und davon beredt erzählen. Viele erinnern sich sicherlich an Roma e Toska in der Milchstrasse 11 an der Alster, gleich neben Jil Sander und der Musikhochschule, errichtet Ende des 19. Jahrhunderts von dem Architekten Martin Haller als Remise für das Ehepaar Budke, und von Eduard Brinkama umgewandelt zu seinem ersten Antiquitätengeschäft mit großbürgerlichem Flair. Was für eine schöne Zeit hatten wir dort. Mit Corona gab ich es auf und zog in die erste Reformsynagoge der Welt, den Tempel von 1844 in der Neustadt. Der Onkel von Heinrich Heine hatte den Bau finanziert, Mendelsohn schrieb das Eröffnungskonzert, 1931 wurde er säkularisiert und 13 Jahre später zerstörte eine englische Fliegerbombe weite Teile inklusive des gesamten Mittelschiffs. In dieser Halbruine, die wie aus der Zeit gefallen ist, besaß ich meine Ausstellungsräume und bin immer noch dort für meinen »Secret Salon«. Direkt gegenüber ist unser neues Geschäft entstanden mit den wöchentlichen »IT’S A DIENSTAG«-Events und den wechselnden Talkgästen. Ein weiteres Kapitel hat sich geöffnet, Mode in einen lebendigen Kontext zu sehen. Endlich komme ich zu »meinem« Kapitänshaus in Kampen, auf der anderen Seite vom Dorfkrug. 1689 wurde es gebaut mit einem Garten davor, der bald seinen alten friesischen Zauber entwickeln wird mit den Stockrosen und Hortensien sowie dem Kirschbaum, der seine Blüten in wenigen Tagen öffnet. Wir hatten zu Ostern unser Re-Opening nach einer Sanierung, ich habe die Wände gestrichen, mir jeden Winkel neuerobert. Es ist wieder meine Wunderkammer mit der Kollektion der Muscheln von Alexander von Humboldt, Kunst, Keramik, Vintage-Schmuck und Ardmore aus Südafrika. Warum ich das alles erzähle? Weil es ein Haus nebenan gibt, das sein letztes Kapitel beendet hat: das Atelier von Siegward Sprotte, eine Institution in diesem Luxus-Dorf. Gestern morgen im Nieselregen haben Bagger sich in seine Wände und das Dach gefressen. Ein Geräusch, als würden Riesen ein Knäckebrot essen. Mit ungeweinten Tränen denke ich an all die schönen Events dort, an Cosmea Sprotte, wie sie morgens die Blumen davor goss, an das lichte Innere mit den Gemälden und Aquarellen. Wir müssen unsere besonderen Orte bewahren, sonst verlieren wir Geschichte und all die schönen Geschichten. Birgit Gräfin Tyszkiewicz