Wie herrlich waren die letzten Tage am Meer. Das Licht duftig versponnen, die Wellen platschten versöhnlich an den Strand, ab und an unterbrach ein »Moin« die Gedanken. Ich laufe barfuß, solange, bis die Kälte des bevorstehenden Winters es für viele Monate nicht mehr möglich macht. Ich springe in die Nordsee, härte mich ab mit diesem Kick, der wie Champagner durch die Adern fließt. Es ist ein friedlicher Kosmos, den ich jeden Morgen dort draußen durchwandere. Mit dem schwindenden Tageslicht entsteht jedoch eine zweite Welt: meine Wunderkammer in dem alten Kapitänshaus von 1689, gleich gegenüber dem Dorfkrug von Kampen. Hier fühlt es sich kuschelig warm an, obwohl es bestimmt nicht mehr als 17°C in den Innenräumen sind. Da nur wenige Kundinnen kommen, verkrieche ich mich in die Ecke in den riesigen Sessel, ausgemustert von der MS Europa, vor den Delfter Fliesen. Um mich herum die Keramiken und Kissen von Ardmore aus Südafrika. Über meinen Beinen liegt eine Wolldecke, dazu trage ich die Fellweste mit dem Muschel-Innenleben. Die Kerzen sind an, auf meinem Schoß liegt ein Buch. Ich lese und schaue immer wieder hoch, um meinen Blick über die Menagerie von außergewöhnlichen Dingen schweifen zu lassen: die Objekte von Klaus Dupont aus Berlin, die Keramiken der 1920er – 1950er Jahre, Teile meiner Kollektion rechts an der Stange, die Puppe mit der Seiden-Bluse und der Tasche von Celine. So muss es den Adligen im ausgehenden Mittelalter gegangen sein, als sie ihre Wunderkammern errichteten, mit allem, was ihre Neugierde fesselte. Warum wohnen die Menschen heute nur so strategisch, verfolgen sklavisch vorgegebene Farbkonzepte, grübeln ständig, ob etwas passt oder nicht? Unser Leben ist doch ein buntes Puzzle aus Vielem, an dem das Herz hängt, ein Sammelsurium von gerahmten Bildern, gefundenen Muscheln und kleinen Objekten, die jemand als Geschenk mitbrachte. Meine Hand streicht über das Kissen von Ardmore mit den beiden Leoparden. Es erzählt von fernen Märchenwelten und behauptet sich selbstbewusst vor den friesischen Motiven. Ich glaube, wir brauchen eine Wunderkammer um uns herum mit einem Sessel wie zu Großvaters Zeiten, in dem wir uns fortspinnen aus der Realität. Ob uns kalt ist? Nein, gewiss nicht, wir haben eine Wolldecke, dicke Socken, Pullover und Träume.

Birgit Gräfin Tyszkiewicz