Immer wieder werde ich gefragt, was »Vintage« bedeutet. »Meinen Sie Secondhand?«, fragen mich die Kundinnen und schauen dabei ein wenig skeptisch und abwertend, also »getragen«, »alt«? Ich erkläre dann kurz den Unterschied zwischen einem Gebrauchtwagen und einem Oldtimer. Beide sind schon gefahren, und dennoch unterscheiden sie sich in unserer Wertschätzung. Das Wort »Vintage« stammt aus dem Englischen, ist ursprünglich ein Adjektiv und bezeichnet etwas von hoher Qualität und stilistisch als besonderes Stück der Vergangenheit. Mittlerweile hat sich der Begriff fest in der Mode etabliert mit steigenden Preisen und Sammlern überall auf der Welt. Vintage ist Trend. Harrods in London errichtete schon früh eine eigene Abteilung dafür, Online-Plattformen verkaufen es, und auch mein Kleiderschrank besitzt so einige Vintage-Modelle mit einer fremden und einer eigenen Geschichte.
Letztens habe ich ein wenig gestöbert, aus der hintersten Ecke zog ich einen Rock von Lanvin, den ich schon lange nicht mehr getragen habe. Été 2005. Ich war Mitte 40, entwarf Mode, organisierte Filmproduktionen und übte mich als Working Mum. Kurz gesagt: Ich war am Anschlag, bemüht um »good looking«. Damals war ich erklärter Lanvin Fan, die mädchenhaften Röcke, wie sie Alber Elbaz (1961 – 2021) entwarf, waren mir wie auf den Leib geschneidert. Ich erinnere mich noch genau, wie ich in der Moskauer Luxus-Boutique von Lanvin ein Teil nach dem anderen probierte, im Wettstreit mit einer schönen Russin und ihrem Oligarchen. Nun gibt es kein Lanvin mehr in Russland, so kann es auch enden.
In meinem Regal befindet sich außerdem ein Stapel mit den berühmten Netz-Hemden von Jean-Paul Gaultier, alle noch aus den 1990er Jahren. Sie stehen für etwas, was die großen Designer auszeichnet und Gaultier ganz besonders, die Lust am Mustermix, an Cross-Culture, die Neugierde auf alles, was exotisch ist. 2005 war Gaultier zum European Song Contest nach Kiew eingeladen. Fasziniert von der traditionellen Mode des Landes ließ er sich davon für die Herbst-Winter- und Sommer-Kollektion 2005/06 inspirieren. Meine Shirts kombiniere ich mit den Vyshyvankas, den Hemden und Blusen gefertigt von den Frauen in den Karpaten.
Bei Roma e Toska in Kampen gibt es Vintage-Teile, vor allem von Yves Saint Laurent (samt Schmuck). Dazu verkaufen wir als Sommerblusen die Vyshyvankas in vielen verschiedenen traditionellen Mustern.
Birgit Gräfin Tyszkiewicz