Eine Portion Dunkel
Der Countdown läuft für die kürzesten Tage des Jahres, und gleichzeitig leuchtet es in den Straßen, Schaufenstern der Geschäfte und in unseren Wohnungen heller und bunter denn je. Es glitzern Sterne und Sternschnuppen, Tannenbaumkugeln und Lichterketten. Da tut es mal ganz gut, eine Portion Dunkelheit zu genießen, denn wenn es nicht zwischendurch auch mal düster ist, kann man das Heiter und Fröhlich nicht genießen.
Die Insel ist der richtige Ort für solch ein Vorhaben und das Wetter ideal, die Sonne verschollen hinter Wolken, nicht endender Nieselregen, schwarz-grün nasse Baumrinde und braune Winterheide. Der Horizont verschwindet zwischen Himmel und Meer, und die Uhrzeit lässt sich kaum mehr schätzen. Es ist eben dunkel.
Mein Outfit ist perfekt auf die Szenerie abgestimmt: schwarzbunter Tütü-Rock, nachtblauer Cashmere Pullover, Gummistiefel und die Hunde dazu in schwarzem Fell. An den Ästen kleben die Wassertropfen. Schon nach wenigen Schritten ist die Feuchtigkeit vergessen, der Wind hält kurz den Atem an, so dass ich ganz in Ruhe auf Bäume klettern kann, unter Zäunen hindurchtauche und über die schlammigen Wiesen stakse.
Schon klar, der Rock aus besticktem und bedrucktem Tüll ist gedacht für die festlichen Events, wenn es überall wieder hell erleuchtet ist. Aber (!), er funktioniert auch an trüben Tagen mit Matschwetter (wichtig zu wissen) und schweren Boots. Das ist das Schöne an der Mode, wir dürfen uns darin selbst erfinden.
Nun bin ich bestimmt schon eine Stunde unterwegs, der Pullover hält mich warm, außerdem ist so ein Fotoshooting wirklich anstrengend: Stativ fixieren, die Brille von der Nase, springen, den Ausschnitt kontrollieren, das Lächeln checken, und dann ist immer irgendein Hund im Bild. Ich spiele mein eigenes Model und genieße dabei die Einsamkeit, die Ruhe und den verträumten Blick in ein endloses Grau.
Am Ende schiebt sich ein helles Licht hinter die dünnen Nebelschwaden, und alles wird rosa und grün und warm und freundlich … jedenfalls scheint es mir so. Ich lerne es sehen und zu genießen, denn vorher war es ja düster.
Das Geschäft in Kampen auf Sylt ist geöffnet, es lädt ein mit Kerzen, Musik, Kunst und Mode und all den Erzählungen, die dazugehören.
Birgit Gräfin Tyszkiewicz