Roma e Toska –
Die Farben des Herbstes

Für mich gibt es zwei Jahreszeiten, die durch die Farben bestimmt sind, der Frühling mit seinem leuchtenden Grün, so intensiv und prall in seiner Lebensfreude, und der Herbst mit einer ungleichen Vielfalt von satten, dunklen Grüntönen, von Orange und Rot und mit der ganzen Pallette von Braun. 

Wer meint, der Tag wäre grau und die Insel wäre grau und am Strand ist es grau … der irrt! Oder der sollte das Grau neu interpretieren, denn es setzt sich aus so vielen zarten Nuancen zusammen, wie ein exklusives Parfüm mit seinen komplexen Duftnoten. 

Ich habe eine Lieblingswiese, von Kampen aus Richtung Watt, meine »Feenwiese«, wie ich sie nenne. Man sieht das Watt von dort oben mal im Sonnenlicht glitzern, mal spiegelt sich der frühe Mond. Egal zu welcher Stunde leuchten die Gräser und die Heide in einem irrsinnigen Ocker, in einem erdigen Orange und in beinahe schwarzem Grün und Himbeer-Rot. Ich empfehle beim nächsten Spaziergang, die Farben der Natur zu beschreiben, jeder für sich und schnell wird man merken, wie einem die Wörter ausgehen, wie man die Sprachvielfalt und die Synonyme erst wieder trainieren muss auf der Suche nach den richtigen Adjektiven. Ist es ein »heiteres« Beige oder ein »versponnenes« Beige? Ist das Lila »düster« oder ist es „»geheimnisvoll«? Wie viele Emotionen lege ich in meine Beschreibung? Das was ich sehe, ist definitiv nicht das, was der andere sieht. Hier könnte eine gute, spannende Unterhaltung beim Frühstück oder Abendessen beginnen. 

Ich liebe zum Beispiel das »Umbra« des sandigen Weges. Schon als Kind im Malunterricht kam mir dieser Name so märchenhaft vor. Der Weg von Hänsel und Gretel im Wald sah aus wie das »Umbra« in meinem Tuschkasten. Im Schummerlicht beginnt es sogar ein wenig zu leuchten, wenn ich meinen Schritt verlangsame und sorgfältig einen Fuß vor den anderen setze, um nicht zu stolpern. Und die Steinchen, welche Farbe besitzen sie, wenn sie so lustig vor mir wegkullern?

Wenn es geregnet hat, dann wird die Wanderung durch dieses Farbenmeer noch schöner, weil sich der Abendhimmel in den Pfützen spiegelt mit einem warmen Petrol-Blau. Oder ist es ein Kapitänsblau, wie die Trendfarbkarte dieses Herbst heißt, dieses frische Royal-Blau, aus dem wir gerade unsere Blazer geschneidert haben? 

Wie die Leser:innen spätestens jetzt feststellen, wir mir nicht langweilig auf meinen Spaziergängen durch die Heide oder entlang des Meeres. Ich fotografiere immer wieder und muss zugeben, dass die Kamera von meinem Handy nicht einfangen kann, was ich sehe.  Deswegen übernehmen die Wörter oder die Kunst mit Aquarellen eines Emil Nolde, aus dessen düsteren Wolken noch das Feucht des Regens tropft. An einer Wand in unserem Flagship-Store in der Alten Dorfstraße 2 in Kampen hängt ein Thomas Herbst, der Anfang des letzten Jahrhunderts mit Ölfarbe das Licht des Nordens eingefangen hat. Seine Sujets sind die Wiesen, durch die sich die Gräben ziehen, mit den milchigen Tönen und gebrochenen Farben. Er hat dafür auf Paris verzichtet, es war schöner hier oben. 

Birgit Gräfin Tyszkiewicz