ROMA e TOSKA

Meine Lifestyle-Diät

Wir leben in merkwürdigen Zeiten, die von einer neuen Privatheit gekennzeichnet sind, Familie, gemeinsam kochen, Spazierengehen, die Natur genießen … Und parallel strömen zu jeder Minute, ja jeder Sekunde, die Nachrichten aus aller Welt auf uns ein. Das Smartphone steckt in unserer Tasche, selbst wenn wir bei steifer Brise entlang der Küste gehen. Pling! G20-Gipfel in Rom. Pling! Klimakonferenz in Glasgow … Pling! Inzidenzen steigen. 

Wie gehen wir Kreativen damit um, wir Modemacher auf der ganzen Welt? Mein Blick ist automatisch international. Auch wenn Roma e Toska ein kleines exklusives Label ist, das im Erzgebirge produziert, sind es die globalen Trends, die ich mitgestalte. Also, was tun wir? Verdichten, in die Zeit hineinhorchen, erspüren, was kommen wird. Und damit begebe ich mich in den Strudel von Ungewissheit und begegne gleichzeitig der Herausforderung, es in ein Positives umzuwandeln. Karl Lagerfeld prägte einen Satz für Chanel, der für mich ebenfalls gilt: Aus der Vergangenheit die Zukunft erklären. Er ließ die Mannequins als griechische Göttinnen über den Laufsteg schreiten. Parallel arbeitete ich damals an einer Kollektion »Arabeske und der persische Garten«. Es war 2016 und wir auf den Höhepunkt der Flüchtlingskrise. Dann folgte »Eisbären im Sommer«, die Saisonen wurden aufgehoben, so wie es jetzt viele andere Designer auch tun. Die Veränderungen des Klimas und ihre Folgen werden kritisch thematisiert. Es kam meine Trilogie des »Wassers« mit dem Zuviel und dem Zuwenig. Die englische Designerin Vivienne Westwood rückte für mich wieder in den Fokus mit ihren Umweltaktivitäten, die sie schon lange zur Aktivistin machten. 

Jedes Stück, das wir produzieren, schadet der Umwelt, und es wäre besser, würden wir es lassen. So radikal müssen wir jedoch nicht sein, wir berauben uns sonst etwas, das uns definiert, das unseren Alltag bereichert. Aber wir, die Designer, müssen sorgfältiger überlegen, welches Teil wert ist, hergestellt zu werden, und wir Konsumenten müssen prüfen und entscheiden, was sich lohnt, überhaupt gekauft zu werden. Dieses neue Denken gefällt mir, ich sehe sowohl auf der einen wie auf der anderen Seite die Verantwortung, und das ist der Anfang von einer Veränderung, die überall zu spüren ist. 

Zweidrittel der Fashion-Industrie kann ihre Nachhaltigkeitsziele nicht einhalten, so das niederschmetternde Ergebnis einer Untersuchung zum Klimagipfel in Glasgow. Der Staat kann hier regulieren, aber an vorderster Stelle sind es die Käufer:innen, die entscheiden. Verschieben wir unsere Maßstäbe. Schöne Pullover, Blusen und Blazer haben viele im Sortiment, aber wie sehen die dazugehörigen Lieferketten aus, welches »Made in« wurde eingenäht. Klebt Blut dran, wie es dramatisch die Trend-Königin Li Edelkoort formulierte?