Die Kunst des Briefeschreibens

Roma e Toska

Es ist Adventszeit, einige sind gerade im Urlaub auf der Insel, für die Einheimischen ist es ein wenig besinnlicher nach dem Sommertrubel und ich stehle mir die frühen Morgenstunden, um Briefe zu schreiben. Es ist etwas ganz Altmodisches, so ein Brief, und es wird Zeit, dass wir ihn wieder aufleben lassen. Wir sind so verwöhnt von unserer schnellen Kommunikation, eine SMS, eine kurze E-Mail, eine Voice-Message. Wie soll man da zum Nachdenken und Reflektieren kommen? Ein Brief erfordert eine ganz andere Muße, entweder schreibt man ihn noch mit der Hand, einem Füller, der über das weiße Blatt kratzt, oder – wie ich – auf dem Computer, weil keiner meine Klaue lesen kann, und dann drucke ich ihn aus auf unserem Briefpapier mit dem schönen Prägewappen der Familie und schreibe noch ein paar Kleinigkeiten darunter. 

Es beginnt mit der Anrede, die wir erst einmal wieder üben müssen, denn »Hey Hey« oder »Huhu« geht gar nicht, wie es einige als What’s App tippen. Mit meiner altmodischen Seele starte ich wie im letzten Jahrhundert mit »Liebe« oder »Mein Liebes«. Warum denn nicht, wenn ich schreibe, ist es ist doch wie eine kleine Umarmung an diejenigen, die ich gern in meiner Nähe wüsste. Und dann ganz in der wunderbaren Tradition des polnischen Adels addiere ich ganz viele Kosenamen. Für meine Tochter Roma (25), die in Toulouse lebt, heißt es dann: »Meine liebste Römchen« und für Toska (22), die in Paris studiert, schreibe ich: »Liebe Toskanini« … 

Und dann lege ich los mit einem Dies-und-Das, Hier-und-Jetzt, dass die Schneiderinnen gerade im Atelier hinter mir fleißig an der neuen Kopernikus Bluse arbeiten, die sehr kompliziert ist mit dem großen Schalkragen, der zur Schleife gebunden wird, den schönen Knöpfen, die wir gemeinsam im September ausgewählt haben. Ich notiere ein paar Ideen, warum »disruptive« gerade so ein Wort ist, das mich umtreibt, weil ich in diesem Jahr meinen Kosmos ein wenig zerlegen musste und wieder neu zusammenbaue. Dann frage ich sie rhetorisch, wie es ihnen geht, was das Studium macht, dass sie nicht so viel Kaffee trinken sollen. 

So pendele ich zwischen der Designerin und der fürsorglichen Mutter. Das Wetter, das wird nicht erwähnt, das ist sowieso grau. Außerdem will ich ja keine Postkarte schreiben, wie sie meine Eltern immer aus dem Urlaub schickten: Wetter gut, baden viel, Essen lecker, kommen bald wieder nach Hause. Und an der Seite neben der Briefmarke war eine lachende Sonne gemalt.  Nein, wir wollen ja die Kunst des Briefschreibens wieder aufleben lassen. 

Dann schreibe ich weiter, dass Christie’s am 5. Dezember abends bei uns zu Gast ist in der Milchstraße 11 in Hamburg-Pöseldorf. Frederik Schwarz der Senior Jewellery-Specialist erzählt von Sonne, Mond und Sterne im Schmuck, passend zu unserer neuen Edition. Es wird bestimmt ein spannender Abend. Meine Töchter können nicht dabei sein, aber vielleicht ja sonst jemand, der diese Kolumne liest. 

Und dann fällt mir Leonardo da Vincis Satz ein: »No‘ si volta chi a stella è fisso« – »Es kehrt nicht um, wer an einen Stern gebunden ist.« – Meine beiden Philosophie studierenden Töchter werden spätestens jetzt schmunzeln: Ach Mami, sie haut‘s mal wieder aus! – Egal, es ist ein Brief, und jeder Brief ist ein kleines Abenteuer, wenn er dann auf die Reise geht. Und in der ganzen Zeit denke ich ein wenig an die Adressaten und wann und wo und wie sie ihn wohl lesen werden, denn mit der Post ist das ja auch so eine Sache. Ein paar schöne Briefmarken noch schnell draufkleben, ein ausgeschnittenes Schnipsel vom Stoff und dann räume ich meinen Schreibtisch wieder leer und mache Platz für all die Aufgaben, die noch vor Weihnachten erledigt werden müssen, damit wir Sylt genießen können und möglichst viele schöne neue Teile im Laden hängen zusammen mit neuen Bildern und ausgefallenem Schmuck. Es gibt übrigens jeden Tag einen Brief an Roma und an Toska, denn das ist mein alternativer Adventskalender!

Birgit Gräfin Tyszkiewicz