Roma e Toska

Die Baumhaus-Generation

Die Sonne geht jeden Tag ein wenig später unter, und ich nutze die Zeit für ein spontanes Fotoshooting unten am Watt in der Braderuper Heide. Die neuen Kollektionsteile sind eingetroffen, der Rock aus dichter Baumwolle mit Vintage-Färbung, geschnitten im Stil der 50er Jahre, dazu der handbemalte Gürtel, die Bluse aus der Saison davor. Ein Look, mit dem man sowohl ins Theater gehen könnte, zu einer Dinner-Party oder aber wie ich zu einem ausgedehnten Spaziergang, der ein wenig die Vergangenheit aufleben lässt. 

Ich gehöre noch zu der Generation, die als Kinder draußen spielten, bis es dunkel wurde, die Baumhäuser bauten und Jungs verhauten. Wir lasen Pippi Langstrumpf und Karl May, die Meuterei auf der Bounty, Vom Winde verweht und später auch Franz Kafka und Max Frisch. Es wurde nicht viel Aufhebens gemacht um ein abgeschürftes Knie oder ein aufgerissenes Hosenbein. Verstohlen putzte ich mir in der Schule unter dem Tisch mit dem Lineal den Dreck unter den Fingernägeln und verdrehte nur die Augen, wenn einer Freundin mal wieder von den Eltern der Umgang mit mir verboten wurde. »Klimawandel« gab es noch nicht im Vokabular. Die Welt da draußen war der Garten, der Teich in der Nähe, die Auenlandschaft vor der Stadt.

Meine Töchter sind noch mit Baumhäusern großgeworden, und auch bei ihnen gab es kaputte Beine und blutige Ellenbogen. Sie lernten Spielen ohne Spielzeug, wussten wie grünes Gras duftet, wenn es feucht und warm ist, und wie gut eine einfache Kartoffel mit Butter schmeckt.

Ich wünsche mir das auch für ihre Kinder und die Generationen, die darauffolgen, überall auf der Erde. Krieg und Klimakatastrophe gehen zusammen als große Bedrohung unseres Lebensraums und unserer Zukunft. Wenn wir die Idylle genießen, so am Abend zwischen Heidelandschaft und Wattenmeer, dann übernehmen wir auch die Verpflichtung, sie zu erhalten. 

Birgit Gräfin Tyszkiewicz

PS: Roma e Toska spendet von jedem Kauf eine Summe an das Deutsche Rote Kreuz »Nothilfe Ukraine«.