Roma e Toska im Mai

DER KIRSCHBARUM VOR DEM HAUS

Lange hat er sich geziert, unser Kirschbaum vor dem Haus, voll mit Knospen, die in dem eisigen Wind nicht aufgehen wollten. Dann brauchte es nur zwei, drei warme Tage und ein wenig Sonne, und schon zeigt er sich in seiner ganzen Pracht, die beinahe sinnbildlich ist für unsere Öffnung hier auf der Insel. Tief muss man sich bücken, unter den schwer herabhängenden Ästen hindurch gehen, wenn man zu Roma e Toska ins alte Kapitänshaus möchte. Keinen stört es, im Gegenteil, die Leute bleiben stehen, fotografieren, machen Erinnerungsbilder. Der Frühling ist da auf Sylt!

Nun müssen wir nur noch modisch hinterherkommen, neue Antworten finden, wie wir uns kleiden, damit es wieder ein Ausdruck unserer selbst wird. Turnschuhe, Jeans, Schlapperpullover oder gar die Jogging-Hose können es nicht auf ewig bleiben. Der Baum hat ja auch seine Blüten geöffnet. Machen wir es ihm nach und wagen wieder das Experiment, »hübsch zu sein«!

Gestern besuchte mich eine Freundin, sie trug die »Water-scape«-Bluse und ihre Augen leuchteten so blau wie das Meer, wenn der Himmel sich darin spiegelt. Schön sah sie aus mit der pinken Weste dazu. Deutlich war zu spüren, wie sie das Leben wieder genießt, mit der Freude, sich selbst zu inszenieren, diskret, nicht zu viel, ein Mix aus Understatement und Sichtbar-werden. Genau dafür stehe ich mit meinen Entwürfen für Roma e Toska. Es ist ein intensiver Dialog mit den Stoff-Designern, die so außergewöhnliche Materialien kreieren, die Bouclés aus Frankreich, die bestickten Tülle aus Italien und die Drucke mit den Motiven meiner Themen. Es ist ein Zusammenspiel von Kreativität, das meine Kollektionen ausmacht. Aber erst, wenn die Modelle ihre Trägerinnen gefunden haben, wird das Bild komplett. Zur Bluse gehören die lachenden Augen, zur kurzen Hose die Beine, die am Strand langsam bräunen. Der Gürtel sucht die Taille, die wieder gefühlt werden will. Das alles zu sehen, ist meine Inspiration, genauso wie ich zuvor aus der Kunst und Natur geschöpft habe, wie die aktuellen Editionen zeigen. Fehlt eine Komponente, so funktioniert das Ganze nicht mehr richtig. Das Online-Geschäft wird es nicht ersetzen. Ich brauche die Frau vor dem Spiegel, die sich in meinen Modellen wiederfindet und diese auf ihre ganz individuelle Weise interpretiert, unabhängig von Alter, Größe und Figur. Es geht um ein Gefühl von sich selbst. Dafür bedarf es einer Mode abseits des Einheitslooks.

Viel ist in den letzten Monaten passiert. Roma e Toska hat sich von einem Flagship-Store zu einem Concept-Store entwickelt, in dem auch Kunst, Antiquitäten, Accessoires und Lifestyle zu sehen sind. Einige erklären es liebevoll zu ihrem »zweiten Wohnzimmer«, eine Menagerie gefiltert durch meine persönlichen Vorlieben: der Vintage Schmuck von Yves Saint Laurent, die Schuhe aus der Manufaktur von Louis Vuitton in Venedig, die Keramiken von Paul Dresler oder Grafiken von Joseph Beuys. Fashion is all!

Das Frühjahr ist erneut »Ernst Haeckel« gewidmet, dem Naturforscher, der Mitte des 19. Jahrhunderts die Quallen und Einzeller studierte und damit den Jugendstil beeinflusste. Aus seinen Motiven entstanden Stoffe und Modelle.

Gleichzeitig entwickelte ich die Kollektion »Ruwenzori« mit den mystischen Bildern vom Aufstieg auf den Vulkan Sabinyo. »Einmal Uganda, einmal Paris hin und zurück«, so habe ich es umschrieben. Zwei Wege, die sich wie Zitate aus unterschiedlichen Welten miteinander verschlingen: Natur und Mode, die großen Trendthemen in diesem Jahr: »What if the solution were to be found in Nature«, wie es auf der internationalen Stoffmesse hieß und wir es auf unsere Shirts haben drucken lassen. Ich stimme zu, mehr denn je!

Birgit Gräfin Tyszkiewicz,

Designerin Roma e Toska.