»INTENSE«

David Tollmann & GALLERY 040

Westerland. Wer die Stadtgalerie »Alte Post« am Pfingstwochenende besucht hat, konnte nicht nur hautnah in die strahlende, ästhetische und farbige Welt der Werke David Tollmanns eintauchen, sondern den Künstler auch persönlich treffen. Er ist trotz seines jungen Alters bereits fest etabliert. Seine Werke bestechen durch ihre Unverwechselbarkeit, Ausdruckskraft, Stärke und Farbigkeit. Die Schönheit der vorwiegend weiblichen Portraits und Figuren steht im Kontrast zur ungestümen Strichführung Tollmanns, die in allen Techniken, derer er sich bedient, zum Ausdruck kommt – seien es Collagen, Zeichnungen oder Malerei. SYLT life hat den Ausnahme-Künstler zum Interview getroffen.

David, was verbindest du mit Sylt?
Sylt und die Küste sind für mich unglaublich erholsam und ein Ausgleich zu meinem Alltag. Da ich den ganzen Tag mit meinen Augen und Händen arbeite, ist das weite Schauen in die Ferne das absolute Gegenstück zu meiner Routine. Ich liebe diesen Kontrast zwischen Farbe, Wildbildern, imposanten Motiven und dieser Ruhe, wenn man die Nordsee sieht. Ich bin zwar selbst keine Wasserratte, aber ich finde diesen beruhigenden erdenden Aspekt ganz ansprechend. Auch ohne die Ausstellung wäre ich acht Stunden angereist – ich bin einfach gerne auf Sylt. 

Wie sieht der Prozess – von der Idee bis zum fertigen Bild – aus?
Alles, was ich sehe, wird fotografiert. Ich sammle Fotos, mir geht es um Posen und Bewegungen, Gesten und die Haltung von Frauen und von Menschen im Allgemeinen. Ich habe mein eigenes geschaffenes Werk von Ideen. Aber zuerst spanne ich eine Leinwand auf, damit ich das Format vor Augen habe. Im nächsten Schritt setze ich mich davor und denke darüber nach, was mir auf dieser Größe, ob Hoch- oder Querformat, gefallen würde. Nachdem ich in meinem Kopf ein Motiv konstruiert habe, wird eine kurze Skizze auf Papier gebracht. Wie hätte ich die Positionierung gerne? Zwei Personen, eine Person? Mit einem Entwurf beantworte ich mir die noch offenen Fragen. Dann wird mit Ölkreide das Bild auf die Leinwand gezeichnet. Wenn es mir gefällt, wird es koloriert. Ich drücke die Farbe direkt aus der Tube. Diese Haptik sieht man bei allen Arbeiten. Dafür nutze ich Pastos-Farbe, da es mir um Viskosität geht. Diese Art der Acrylfarbe ist von der Stärke her so dick wie Ölfarbe, nur das sie schneller trocknet. Ich bin halt von Natur aus sehr ungeduldig. Zum Schluss werden die Konturen und Kontraste mit Schwarz hervorgehoben. Symbolisch beende ich die Bilder immer mit dem Lichtreflex in den Augen und der Unterschrift unten rechts. Solange ich ein Bild nicht unterschrieben habe, ist es nicht fertig. 

Galerist Dennis Baumert und Künstler David Tollmann

Wie viele unfertige Bilder stehen in deinem Atelier?
Keins. Grundsätzlich vernichte ich alle Bilder, die mir nicht gefallen. Ich mache jedes Jahr ein virtuelles großes Feuer, bei dem sie in einer großen Kiesgrube verbrannt werden. Es ist einfach erklärt: Wenn mir die Bilder nicht gefallen, sollen sie auch nicht aus kommerzieller Gier verkauft werden. Da stehe ich einfach nicht dahinter.

TOLLMANN 3.0: Wie hast du deinen eigenen Stil entwickelt?
Der alte Spruch »Wer in die Fußstapfen anderer tritt, hinterlässt keine eigenen Spuren« ist ein Thema gewesen. Auf der einen Seite hatte ich das Glück, dass ich mit meinem Nachnamen vielleicht einige Türen im halboffenen Zustand vorgefunden habe. Aber andererseits war es auch eine harte Zeit, sich daraus etwas Eigenes zu schaffen. Du wirst immer verglichen, immer! Das ist ganz normal, das ist auch okay, da ich ganz klar von der Dynastie-Situation profitiere. Jedoch musste ich lange daran arbeiten, dass ich alleine wahrgenommen werde.
Wenn man sich mit unserer Arbeit auseinandersetzt, sieht man die Unterscheide zu mir und meinem Vater. Ohne jemanden zu nahe zu treten: Ich bin gegenständlich geradliniger, die Bilder sind ordentlicher, organisierter. Das liegt vielleicht daran, dass ich jahrelang versucht habe, wie er zu malen. Dann wieder nicht, dann ganz bewusst anders. Irgendwann habe ich das aufgegeben und zugelassen, dass ich ein Stück weit so male wie er und meinen eigenen Senf dazu gegeben. Und es hat funktioniert. Ich bin, wer ich bin und habe meine Wurzeln zu etwas Eigenem vervollständigt. Das hat aber lange gedauert. Ich sehe es als großes Glück an, seit 2014 aktiv hauptberuflich zu malen. Auch bin ich für meinen Erfolg sehr dankbar, da ich schon vom Luxus der Leute und vom Trend abhängig bin. Global gesehen kann ein Prozent von seiner Kunst leben. Deswegen freue ich mich jeden Tag, wenn jemanden ein Bild gefällt, ob es gekauft wird oder nicht. In erster Linie habe ich demjenigen eine Freude gemacht. 

Neben deiner Kunst ist dir das soziale Engagement ein Herzensanliegen.
Wer vom Luxus anderer Leute lebt, wer sich in einer so privilegierten Situation befindet, Kunst machen zu dürfen, sollte das nicht nur kommerziell für sich einstecken, sondern etwas zurückgeben. Malen ist für mich keine wirkliche Arbeit, da es mich glücklich macht. Und dieses Glück möchte ich ein Stück weit teilen. Kunst ist ein super Medium dafür, weil Kunst immer noch ein finanziell geringfügig massentaugliches Produkt ist. Wer sich das leisten kann, der kann einen Teilbeitrag für andere leisten.
Jedes dritte Kind in Deutschland bekommt kein warmes Essen in der Schule, Kinderarmut, Kita-Notplätze – der Bedarf ist hier vor der eigenen Haustür. Ich will damit keinen ausgrenzen, ich habe auch gerade ein Projekt in Äthopien unterstützt, aber in erster Linie fängt Hilfe vor der eigenen Haustür an.
Bis zum 12. Juni stellt David Tollmann in Zusammenarbeit mit der Hamburger GALLERY 040 über 30 aktuelle Groß- und Mittelformate in der Stadtgalerie »Alte Post« in Westerland aus. Die noch junge GALLERY 040 schafft den Spagat zwischen digitalem Kunsthandel und exklusiven Pop-Up-Galerien und hat sich bereits jetzt schon einen Namen auf der Insel gemacht – sie ist exklusiver Partner der wineBank, die in wenigen Monaten in Westerland eröffnet. 

Weitere Infos zu den Künstlern und der Galerie gibt es online unter www.gallery040.de.