ROMA E TOSKA KOLUMNE

Es gibt derzeit kein Fashion-Label auf der Welt, das nicht alles auf den Prüfstand bringt. Die Mode ist hart von der Pandemie getroffen, denn sie agiert global, ihre Lieferketten sind unterbrochen, und als wohlgeliebtes Teil der überhitzten Konsumgesellschaft, ist sie ausgebremst. Wer braucht schon etwas, wenn die Schränke voll sind, die Events wegfallen und man zumindest unterhalb der Gürtellinie nicht mehr sichtbar ist. Wir sitzen in Zoomkonferenzen am Schreibtisch, wir gehen nur noch sporadisch Essen. Für was und für wen soll man sich noch hübsch machen? 

An dieser Stelle muss die Fashion-Industrie ansetzen, um sich wieder begehrlich zu machen für die Frau, die alles hat und nichts mehr will. Jonathan Anderson, Chefdesigner des spanischen Luxus-Labels Loewe (Konglomerat LVMH), verschickte beinahe 1000 Luxuskästen an seine Stammkundinnen weltweit mit seiner aktuellen Kollektion. Fotografien samt Kleister und Pinsel, um damit gleich die Wände zu tapezieren. Innovativ und frech in diesen Zeiten des eher kuscheligen Understatements. Trotzdem werden große Flagship-Stores geschlossen, verlagert sich das Einkaufen auf das Online. Ein Prozess, den man nicht aufhalten kann, der uns aber vieles nimmt, allen voran das Erlebnis des Einkaufens, den Austausch über Mode und Kultur, das Probieren vor Ort, die Styleberatung. Eben einfach alles, was Shopping für uns Frauen zu einem Genuss macht. 

Aber es gibt Avantgarde Label, die denken intensiv darüber nach, wie man auch in diesen Zeiten stationär mit neuen Verkaufsmodellen experimentieren kann. Bless aus Berlin richtet ein Wohnzimmer ein, mit einer Verkäuferin, die dort auch wirklich lebt. Und wir, Roma e Toska, gestalten unser Kapitänshaus in Kampen zu einem gelebten Ganzen mit einem Dialog von Kunst, Interieur, Accessoires und verschiedenen Fashion-Editionen. Es sieht aus, als käme man zu mir nach Hause, und für mich fühlt es sich auch so an. Ich zeige, was mir gefällt, und meine Umgebung wird zu meiner persönlichen »Wunderkammer«. In Hamburg haben wir ebenfalls ein neues Projekt gestartet mit der POOLSTRASSE 12 in der ersten Refomsynagoge der Welt. 1844 errichtet, 1931 säkularisiert, 1944 von einer Fliegerbombe großenteils zerstört, ist es eine Ruine, die zu einem magischen Ort wird. In Kooperation mit dem Galeristen Thomas Holthoff verbinde ich die Kunst und das Design mit der Mode. Es ist kein Geschäft, kein Pop-up Store, sondern es ist eine kleine begehbare Welt von Geschichten und Erzählungen, aus der man alles kaufen kann. Die Perspektive hat sich gedreht, das Shopping wird zur Nebensache, das Erleben tritt in den Vordergrund.

So könnte es gehen und so macht es wieder Sinn: Mode ist keine Ware, sondern etwas, das uns verschönert, das uns inspiriert, das wir nach wie vor brauchen, um uns attraktiv zu halten. Vielleicht sollten wir in diesem Zusammenhang mal darüber nachdenken, uns für unseren Mann wieder schön zu machen. Der ist nämlich in dem ganzen Corona-Distancing irgendwie rausgefallen. Wir reden nur von unserem veränderten Berufsleben, von den Alltagsbegegnungen mit Freundinnen und haben – wie es scheint – den Lebenspartner vergessen. »Sieht er ja doch nicht!« Höre ich immer wieder. Ja, dann wird es Zeit, dass wir uns wieder sichtbar machen! Und da kommt die Mode erneut ins Spiel mit ihrer unterschwelligen Verführung, mit Lieblingsteilen, die unsere Persönlichkeit unterstreichen, mit raffinierten Schnitten, mit edlen Garnen und einer Farbenvielfalt, die zu diesem Herbst passt.